Tech & Literature 2023Rezension von Annalena Feltes

In dem Buch “Geschlechtsspezifische Gewalt in Zeiten der Digitalisierung“ aus dem Jahr 2021 liefern die Beiträger*innen grundlegende interdisziplinäre Analysen für den Umgang mit digitalen Gewaltformen und diskutieren sowohl juristische, technische und aktivistische Interventionen als auch Erfahrungen aus der Beratungspraxis.

Digitale Gewalt richtet sich nicht nur gegen Personen des öffentlichen Lebens, sondern auch gegen Privatpersonen, wobei sie in ihren häuslichen und sexualisierten Ausprägungen eine deutlich genderspezifische Komponente aufweist. Durch neue Informations- und Kommunikationstechnologien erst ermöglicht und durch die Nutzung des Internets an Wirkmächtigkeit stark zunehmend, haben sich diverse Gewaltphänomene wie Doxing, Stalking, Hate Speech und Cyber Harassment entwickelt. Dabei werden in den einzelnen Beiträgen zentraler politischer Änderungsbedarf ausgemacht und entsprechende Handlungsoptionen aufgezeigt.

Das Buch ermöglicht das Erkennen verschiedener Formen digitaler Gewalt, erläutert den interdisziplinären Umgang damit (politisch, juristisch, sozialarbeiterisch, technisch und aktivistisch) und zeigt Schutzlücken auf. Es verdeutlicht, dass eine Unterscheidung zwischen analoger und digitaler Gewalt – wie z.B. bei Stalking – nicht geboten ist, sodass bei der Rechtsprechung diesbezüglich Sensibilisierungsbedarf besteht. Auch wird dafür plädiert, geschlechtsspezifische Gewalt in die Debatten zu Digitalisierungsstrategien zu inkludieren und die Thematik der Digitalisierung von Gewalt in die Debatte um geschlechtsspezifische Gewalt aufzunehmen.

Ein besonderes Augenmerk wird auf den Umstand gelegt, dass die missbräuchliche Anwendung von Informations- und Kommunikationstechniken im Rahmen von Partnerschaftsgewalt und sexualisierter Gewalt bisher kaum Eingang in politische die Debatte zum Thema »Cybersicherheit« gefunden hat. Digitale Sicherheit wird vor allem dann politisch forciert, wenn sie dem Schutz wirtschaftlicher Güter, der digitalen Infrastruktur oder von klassischen Cybercrime-Delikten betroffenen Bürger*innen dienen soll. Bezüglich des Schutzes vor geschlechtsspezifischer Gewalt bestehen dagegen noch erhebliche Sicherheitslücken, die es zukünftig zu diskutieren gilt.

Exemplarisch am Beispiel der digitalen Gewalt zeigt das Buch auf, mit welchen Herausforderungen sich der Gesetzesgeber im Zeitalter des digitalen Wandels konfrontiert sieht und welche Handlungsoptionen der Rechtsprechung unter dem Gesichtspunkt der digitalen Resilienz verbleiben. Letztlich bedarf der Weg zu einer umfassenden digitalen Resilienz aber immer noch einer sensibilisierenden Komponente, wozu dieses Buch einen nicht zu unterschätzenden und lesenswerten Beitrag leistet.