Das Projekt INWEND ist ein BMBF gefördertes interdisziplinäres Forschungsvorhaben, in dem Wirtschaftsinformatiker und Juristen der Universität Trier eine Software entwickelt haben, die rechtliche Empfehlungen in einem Teilbereich des Datenschutzrechts abgeben kann. In dem Projekt sollte untersucht werden, inwieweit mithilfe von Methoden der Künstlichen Intelligenz rechtliche Entscheidungsprozesse, und zwar konkret im Datenschutzrecht, unterstützt werden können.
Die europäische Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) hat zu mancher rechtlichen Verunsicherung geführt. Nicht wenige Unternehmen, Vereine und andere Institutionen haben Rechtsberatung in Anspruch genommen, um das neue Recht korrekt umzusetzen. Auch viele Bürgerinnen und Bürger sind von dessen Vorgaben betroffen – oftmals, ohne es zu wissen: Praktisch jeder Einzelne geht unentwegt mit personenbezogenen Daten anderer um und kann dadurch schnell zum Adressaten der Vorschriften der DSGVO werden. Für jemanden, der privat bloggt, Fotos auf sozialen Medien teilt oder eine Fanpage betreibt, ist es jedoch ungleich schwerer, die datenschutzrechtlichen Vorschriften zu verstehen und richtig anzuwenden.
Dies mag zunächst zu einem Umsetzungsdefizit des Datenschutzrechts führen – seine Vorgaben werden nicht (vollständig) eingehalten. Umgekehrt besteht die Gefahr, dass die rechtlichen Anforderungen Menschen von der Umsetzung wünschenswerter Projekte abschrecken, obwohl diese datenschutzkonform hätten umgesetzt werden können. Beide Konsequenzen sind unbefriedigend.
Hierzu wurde ein wissensbasiertes System konzipiert und prototypisch umgesetzt, das in der Lage ist, in einem eingeschränkten Teilbereich des Datenschutzrechts zu spezifischen Fragestellungen geeignete rechtliche Empfehlungen abzugeben.
Konkret wurde die sogenannte Haushaltsausnahme in Art. 2 Abs. 2 lit. c DSGVO modelliert, indem unterschiedliche Sachverhaltsgestaltungen als Fälle – mithin als Paare aus Problem- und Lösungsbeschreibungen – abgebildet wurden. Diese Vorschrift statuiert eine Ausnahme vom sachlichen Anwendungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung für den Fall, dass eine Verarbeitung personenbezogener Daten durch eine natürliche Person zur Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten erfolgt. Um die Bedeutung dieser Vorschrift mit informatischen Mitteln zu modellieren, wurden typische Entscheidungsszenarien in Form von Fällen dargestellt, in denen die entscheidungsrelevanten Merkmale der Situation herausgearbeitet, gewichtet und mit einer rechtlichen Einschätzung verbunden wurden.
Diese Wissensbasis von Fällen wurde so aufbereitet, dass in neuen Entscheidungssituationen eine Einschätzung hinsichtlich der Einschlägigkeit der Haushaltsausnahme abgegeben werden kann. Hierzu wurde im Sinne des Fallbasierten Schließens die Ähnlichkeit zwischen der aktuell zu entscheidenden Fragestellung und den in den Fällen repräsentierten Entscheidungsszenarien herangezogen. Nach Abschluss des Projekts existieren eine in OWL beschriebene Ontologie sowie ein Satz von rund 200 Fällen, die zusammen das gesammelte Wissen über die Haushaltsausnahme in Art. 2 Abs. 2 lit. c DSGVO formalisieren und bündeln. Diese Ontologie wurde ihrerseits einem funktionsfähigen Prototypen zugrunde gelegt, der den rechtlich erheblichen Sachverhalt vom Anwender erheben und diesem eine rechtliche Ersteinschätzung anzeigen kann.
Der Prototyp wird über eine Webseite angesteuert, auf der der Benutzer die wesentlichen Angaben zu seinem Sachverhalt durch die Beantwortung von Fragen eingeben kann. Die Antworten des Benutzers werden sodann an einen Server übertragen, auf dem die eigentliche Beurteilung mithilfe des Fallbasierten Schließens erfolgt. Die ermittelten einschlägigen Fälle werden daraufhin an das Webinterface zurückübertragen und dem Nutzer in für Nichtjuristen verständlicher Form dargestellt.
Das Paper des Forschungsteams mit dem Titel „INWEND: Using CBR to automate legal assessment in the context of the EU General Data Protection Regulation“ ist hier verfügbar.
Vom Institut an dem Projekt beteiligt waren Prof. Dr. Raue und Herr Dr. Schriml.