Tech & Literature 2020Rezension von Justus Theis

Nach einer ausführlichen und auch für fachfremde Leser verständlichen Darstellung der technischen und juristischen Voraussetzungen von Open-Source-Software, beschäftigt sich die vorliegende Dissertation mit der vertragsrechtlichen Einordnung des Erwerbs solcher Software. Darüber hinaus beleuchtet Oberhem Fragen der vertraglichen und gesetzlichen Haftung und unterzieht die General Public License (GPL) einer AGB-Kontrolle.

Im Rahmen der vertraglichen Einordnung unterscheidet die Verfasserin zwischen der Software als solchen und den urheberrechtlichen Nutzungsrechten. Die Software kann sowohl Gegenstand eines Kauf- oder Werkvertrages als auch einer Schenkung sein. Die von der herangezogenen Lizenz (GPL) ungeklärte Frage, woher der Nutzer das reine „Benutzungsrecht“ erhält, beantwortet Oberhem ex lege, § 60 d Abs. 1 UrhG. Demnach erhält der Erwerber einen „zwingenden Kern“ an Nutzungsrechten, zu denen das Laden in den Arbeitsspeicher, die Installation des Programms sowie deren Benutzung gehört. Die darüber hinaus gehenden Nutzungsrechte aus der GPL (Vervielfältigungs-, Bearbeitungs- und Vertriebsrechte) werden als Schenkung qualifiziert. Hierbei geht Oberhem auch näher auf die bei der Qualifikation als Schenkung problematischen Punkte der unentgeltlichen Zuwendung (trotz § 2 GPL) und der Entreicherung des Lizenzgebers ein.

Im Zuge der AGB-Kontrolle geht die Autorin insbesondere und detailliert auf § 9 GPL ein. Nach dieser Regelung haben beiden Parteien nach Vertragsschluss das Recht die Lizenzversion zu wechseln. Problematisiert wird in diesem Zusammenhang jeweils eine Benachteiligung des Vertragspartners. Oberhem kommt nach einer ausführlichen Analyse zu dem Schluss, dass § 9 GPL nicht gegen §§ 307, 305 Abs. 2 BGB verstößt.

Abschließend beschäftigt sich Oberhem mit der gesetzlichen Haftung sowie der Haftung nach dem Schenkungs- und Kaufrecht. Hierbei sollen – nach Auffassung der Verfasserin – die Anforderungen an die Sorgfaltspflichten des Lizenzgebers nicht überspannt werden. Ein milder Haftungsmaßstab sei gerechtfertigt, auch da der Verwender von Open-Source-Software sich um das erhöhte Risiko bewusst ist.

Kernthesen:

  • Im Rahmen der Haftung sind weitgehende Einschränkungen zugunsten des Lizenzgebers/Distributors vorzunehmen.
  • Die Regelungen des BGB lassen sich – bezüglich der vertraglichen Qualifikation und der Haftung – grundsätzlich auf Open-Source-Software anwenden.