Tech & Literature 2020 • Rezension von Annemarie Theobald
Yvonne Hofstetter beschreibt in ihrem Buch „Der unsichtbare Krieg“ die Auswirkungen der Digitalisierung auf globale Machtverhältnisse und zwischenstaatliche Konflikte. Hierbei beleuchtet sie die technischen Möglichkeiten einer digitalen oder hybriden Kriegsführung, wobei sich die Frage stellt, ob sich bei einem solchen Konflikt überhaupt noch Staaten gegenüberstehen.
Neben der „klassischen“ Kriegsführung sieht sie auch die Möglichkeit eines Informationskrieges: Durch die sozialen Medien könne jedermann zu einem „Bürgerjournalisten“ werden und so die öffentliche Meinung mitbestimmen. Fake News seien das neue Normal, jeder stecke in seiner Filterblase, was teilweise mit der Ablehnung von Experten einhergehe. Online-Plattformen werden so zu den Gesinnungsmedien des 20. Jahrhunderts.
Zusätzlich zu dieser informationspolitisch möglichen Kriegsführung rüsteten die Staaten im Rahmen der Künstlichen Intelligenz (KI) auf. Neben der potenziellen Möglichkeit autonomer (Kampf-)Drohnen stehe auch die Perspektive der Kriegsführung mit der Hilfe von Störungen (oder Ausschalten) des elektromagnetischen Spektrums (wodurch Radar etc. ausfällt).
Nach dieser Betrachtung der digitalen Möglichkeiten widmet die Autorin sich der (völker-)rechtlichen Betrachtung der Lage. Problematisch sei schon die Frage, ob ein Cyberangriff unter die Definition des Krieges falle. Hieran schließt sich das Problem der Schwelle von (verbotener) Gewaltanwendung und die damit zusammenhängende Möglichkeit der Selbstverteidigung an. Sie kommt zu dem Schluss, dass der Rechtfertigungsgrund der Selbstverteidigung nur bei Vergleichbarkeit mit der Wucht eines bewaffneten Angriffs und Zurechenbarkeit zu einem Staat vorliegen könne. Ansonsten entfalle das völkerrechtliche Instrumentarium dieses Rechtfertigungsgrundes (Hack Back, konventioneller Zweitschlag, Nuklearwaffeneinsatz…) – möglich sei dann lediglich die nationale Strafverfolgung.
Anschließend zeigt Yvonne Hofstetter die möglichen Auswirkungen auf die weltpolitische Lage auf sowie die mögliche Ablösung der durch die USA kapitalistisch geprägten Globalisierung durch eine chinesisch oder russisch geprägte. Hier stellt sie die Frage nach den Bedürfnissen der Demokratie sowie nach der weltpolitischen Vision der Europäischen Union.
Kernthese:
Die Welt und ihre Konflikte werden sich durch die Digitalisierung tiefgreifend verändern – und wir sind hierauf (noch) nicht vorbereitet.