Tech & Literature 2020Rezension von Michael Martel

Durch die intensive Auseinandersetzung mit den großen technologischen Fortschritten der Neuzeit versucht Carl Benedikt Frey, in seinem Buch „The Technology Trap: Capital, Labor, and Power in the Age of Automation“, die Auswirkungen auf die Wirtschaft, Gesellschaft und Politik in der Vergangenheit zu analysieren, sowie auf die Gegenwart und Zukunft zu übertragen. In der tollkühnen Überzeugung, dass die Menschheit auch in dieser Thematik aus der Vergangenheit lernen kann, stemmt sich der Autor gegen den Hegelschen Vorbehalt: „Das Einzige, was wir aus der Geschichte lernen, ist, dass wir nichts aus der Geschichte lernen“.

Ausgehend von der industriellen Revolution zeigt Frey mithilfe vieler wissenschaftlicher Belege, Studien und Fakten in einer wirtschaftshistorischen Reise, dass der technologische Fortschritt auf lange Sicht sehr eng mit der durchschnittlichen Verbesserung des materiellen Lebensstandards zusammenhängt. Er mahnt aber auch die kurzzeitigen Effekte nicht aus den Augen zu lassen, denn diese Anpassungen stellen manche Teile der Bevölkerung gleichzeitig vor die Vernichtung der gesamten existentiellen Lebensgrundlage. Durch die generelle Unterscheidung zwischen arbeitsfördernden und arbeitsersetzenden Technologien werden anhand zahlreicher historischer Beispiele viele Erfindungen im Hinblick auf ihre tiefgreifenden Kausalitäten beleuchtet. Auch wenn die Behandlung dieser wechselseitigen Verbindungen manchmal undurchsichtig und unvollständig erscheint, so wird doch deutlich, dass das Vorhandensein neuer Technologien ohne die richtigen Rahmenbedingungen in der Produktivität, dem Einkommen, den Rechten, der Politik, der Kultur, der Bildung und sozialen Verhältnisse sogar wertlos sein kann. Auf eine Periode von Engels Pause, geprägt durch wachsende Ungleichheit und Verelendung der Arbeiterklasse, folgte ein Jahrhundert eines breiter geteilten Einkommenswachstums. Welches auch wiederrum ein Ende im wachsenden Wohlstand und Einkommensungleichheit fand. Selbst wenn Frey die Möglichkeit der Wiederholung einer Ära des kollektiven Fortschritts in der heutigen Zeit kritisch betrachtet, so sind für ihn auch gewisse Gemeinsamkeiten und Übereinstimmungen zur Vergangenheit nicht zu leugnen. Im Kontrast der Unvergleichbarkeit der aktuellen Arbeitsbedingungen mit denen des 19. Jahrhunderts, ist trotz massiv gestiegener Arbeitsproduktivität das relative Wachstum der Reallöhne vergleichsweise stagniert. Wodurch der Anteil der Arbeitnehmer am Nationaleinkommen historisch betrachtet selten jemals geringer war. Vor diesem Hintergrund wird das Potenzial der neuen Technologien wie künstlicher Intelligenz und der fortschreitenden Digitalisierung der Menschheit optimistisch hervorgehoben. Gleichzeitig äußert der Autor aber Besorgnis über die Umsetzung dieser und mahnt vor einer möglichen Blockade, vergleichbar mit der Obstruktionspolitik, die die industrielle Revolution um Jahrzehnte, vielleicht sogar Jahrhunderte verzögert haben könnte. Die Bildung des Menschen spielt dabei eine entscheidende Rolle. Denn es liegt an uns, ob wir aus Vergangenheit lernen oder dazu verdammt sind diese zu wiederholen.

Kernthesen:

  • Jeder technologische Fortschritt ist mit Gewinnern als auch Verlierern verbunden. Es ist die Aufgabe der Gesellschaft die optimalen Rahmenbedingungen zu schaffen und die negativen Effekte zu minimieren.
  • So groß die Unterschiede im Hinblick auf den Lebensstandard und die Arbeitsbedingungen im Vergleich zu früheren Jahrhunderten auch sein mögen, so groß sind auch die Gemeinsamkeiten in Bezug auf den produktivitätsbedingten Einkommenswachstum und der Ungleichheit der Verteilung des Wohlstandes an die Arbeiter.