Tech & Literature 2020 • Rezension von Fabian Hoffmanns
Das Buch „Digitales Unbehagen“ von Prof. Dr. Dr. Manfred Spitzer erläutert in 32 überraschend kurzen Kapiteln die Probleme und Bedenken der Digitalisierung. Die mit einem aussagekräftigen und teils provozierenden Titel versehenen Kapitel thematisieren jeweils einen vermeintlichen Problemkreis der digitalen Welt. Hierbei nutzt der Autor zur Veranschaulichung häufig Situationen aus dem Alltag. Punkten kann das Buch unzweifelhaft durch die Kombination einer einfachen Darstellung möglicher Probleme und die Vermittlung des technischen und medizinischen Hintergrundwissens. Während einige der angesprochenen Probleme nicht weg zu diskutieren sind, erscheinen andere als überspitzt.
Dem Autor ist zuzustimmen, wenn er gerade beim gemeinsamen Essen der Familie fordert, das Handy häufiger beiseite zu legen. Ebenso nachvollziehbar ist das geäußerte Unbehagen in Bezug auf die weltweite „Hypervernetztheit“. Dass teilweise indirekte Kommunikation der Funktionsfähigkeit schadet, ist an verschiedenen politischen Phänomenen anschaulich zu beobachten. Zu kurz wird dagegen die Vernetzung verschiedenster Geräte am Beispiel eines „Smart-Home“ – zwar als bequem und praktisch – beschrieben, doch aufgrund von möglichen Hackerangriffen und Systemausfällen als zu gefährlich abgestempelt.
Der Autor kritisiert, dass durch die Möglichkeiten der Internetsuche, Menschen weniger aufgefordert sind, selbst nachzudenken. Dass die Nutzung digitaler Medien neue Kompetenzen fördern kann, beleuchtet der Autor leider nicht. An anderer Stelle wird ein Smartphone-Verbot für Kinder unter 14 Jahren befürwortet, und der Vergleich zum Schutze der Jugend vor Alkohol bemüht. Ungeachtet der erheblichen praktischen Bedenken an der Durchführbarkeit bestehen auch massive Bedenken an der Sinnhaftigkeit eines solches Verbots. Gerade in einer Welt, in der Technologien sich stets weiterentwickeln, ist der frühe, wenn auch geregelte, Zugang zu digitalen Medien unerlässlich. Zudem kann kaum jemand ernsthafte Zweifel hegen, dass besonders im Internet auftretender Hass ein Problem darstellt. Befeuert von Anonymität und Gruppendynamik werden soziale Netzwerke häufig zum Schauplatz von Beleidigungen und Hass.
Statt Lösungsansätze zu präsentieren, beschränkt sich der Autor auf die Darstellung einer Studie zum Rückgang der Beleidigungen im Falle eines Ausfalls von Facebook.
Dass bei der Etablierung neuer Standards Probleme auftreten, liegt auf der Hand. Anstelle einer problemorientierten Lösungssuche strengt der Autor jedoch scheinbar lieber eine Reise in die Zeit ohne digitale Medien an. Während einige Gesichtspunkte durchaus sinnvoll erscheinen, verlieren viele Schlussfolgerungen durch eine verkürzte Darstellung leider an Wert.
Kernthese:
Die umfangreiche Nutzung moderner Technologien beschränkt den Menschen in seiner Entwicklung. Durch eingeschränkte Gehirnaktivität wird das Lernen schwerer, durch die Integration eines Smart-Home-Systems wird der Mensch bequemer.