IRDTPaperseries • Mining and Modeling Text • Karolina Benedyk
Die Forschung in den Digital Humanities ist zunehmend daran interessiert, Forschungsfragen auf der Grundlage umfassender, relevanter Datensätze zu bearbeiten. Nur dies erlaubt es, Muster und Verteilungen von Phänomenen oder auch Entwicklungen von Phänomenen über die Zeit auf der Ebene größerer historischer, literarischer oder künstlerischer Teilsysteme zu betrachten, statt wie bislang häufig der Fall nur anhand ausgewählter, als repräsentativ gesetzter Beispiele. Entsprechend sind beispielsweise die in der digitalen Literaturwissenschaft genutzten Textsammlungen in den letzten 10 Jahren stetig größer geworden. Galt ein Textkorpus von mehreren Hundert Romanen oder Theaterstücken vor 10 Jahren vielleicht noch als umfangreich, ist es inzwischen nicht unüblich, in der Dimension Tausender, Zehntausender oder noch mehr Werken zu arbeiten. Eine solche Forschungspraxis erfordert jedoch in unterschiedlichen Werkbereichen eine flächendeckende Verfügbarkeit der relevanten Werke. Soweit die Werke Leistungsschutzrechte bzw. urheberrechtlichen Schutz genießen, müssen die Betroffenen Nutzungsrechte von sämtlichen Rechteinhabern einholen, wenn und soweit sie sich nicht auf Schranken berufen können.2 Das kann insbesondere bei der öffentlichen Zugänglichmachung von größeren Korpora oder von Forschungsergebnissen der Fall sein, wenn diese urheberrechtlich geschütztes Material von Dritten enthalten. Die individuelle Lizenzierung ist insbesondere bei digitaler Massennutzung zeit- und kostenintensiv – wenn nicht sogar unmöglich. Aushilfe verschaffen Verwertungsgesellschaften, die oftmals eine marktmäßige Stellung einnehmen. Mit der neu eingeführten kollektiven Lizenz mit erweiterter Wirkung steht ihnen ein weiteres Instrument zur Verfügung, dass die Lizenzierung von großen Werkbereichen erleichtert. Kollektive Lizenzen mit erweiterter Wirkung ermöglichen es, die Lizenzierung von Nutzung durch Verwertungsgesellschaften zu vereinfachen, indem auch Werke und Leistungsschutzrechte von Rechteinhabern eingeräumt werden können, die der Verwertungsgesellschaft keine Rechte einräumten (Außenstehende nach § 7a VGG).4 Dadurch erlaubt es das Gesetz Verwertungsgesellschaften, für bestimmte Werkkategorien flächendeckende Lizenzen zu vergeben. Eine grundlegende Voraussetzung dabei ist, dass die Verwertungsgesellschaft repräsentativ ist, vgl. § 51b I VGG. Hiernach liegt die Voraussetzung vor, wenn sie für eine ausreichend große Zahl von Rechtsinhabern Rechte, die Gegenstand der kollektiven Lizenz sein sollen, auf vertraglicher Grundlage wahrnimmt. Die VGG muss eine ausreichend große Zahl von Rechtsinhabern auf vertraglicher Grundlage vertreten. Es ist nicht erforderlich, dass sie die weit überwiegende Zahl oder auch nur die Mehrheit der Rechtsinhaber vertritt. Eine genaue Abgrenzung ist von Gesetzes wegen nicht vorgegeben. Will eine DH-Forschungsgruppe beispielsweise eine Textsammlung verarbeiten und hat die Verwertungsgesellschaft Wort für 70 Prozent der Texte Wahrnehmungsverträge mit den Rechtsinhabern, dann kann sie für die verbleibenden 30 Prozent der Texte kollektive Lizenzen vergeben. Kollektive Lizenzen mit erweiterter Wirkung beruhen auf optionalen Vorgaben der Art. 12 DSM-RL8. Die Regelungen sind seit dem 07. Juni 2021 unter den Voraussetzungen der §§ 51 ff. VGG im deutschen Gesetz kodifiziert. Sie entstanden nach dem Vorbild der extended collective licensing der nordischen Länder. Es handelt sich um ein neues Instrument des deutschen und des europäischen Unionsurheberrechts. Hiernach tritt die Lösung neben die gesetzlichen Schranken.